LINN LÜHN

KEVIN ZUCKER

November 10, 2007 – January, 2008

5 Standard Test Images
5 Archetypal Objects
The Flowers of Romance
Various tragedies

10. November – Januar 2008

Kevin Zuckers Bilder wirken auf den ersten Blick diszipliniert und nüchtern. In einfachen Metallregalen werden verschiedene Bilder und Objekte präsentiert. Trotz der offensichtlich herrschenden Ordnung ist man zunächst ratlos: Warum werden gerade diese Gegenstände so sorgfältig in einem aufwändig konstruierten Raum arrangiert und aufbewahrt?

Alle Bilder wurden derselben Quelle entnommen, dem Internet: In 5 Standard Test Images und 5 Archetypal Objects beispielsweise sind Bilder und Objekte zusammengefasst, die in der Entwicklung früher digitaler Drucke oder den ersten 3D-Software-Programmen eine wichtige Rolle gespielt haben und noch heute endlos reproduziert werden. In den Collagen der Serie Google Image Tragedy arrangiert Zucker Bilder, die er nach Eingabe des Suchbegriffes „tragedy“ in der Suchmaschine Google erhalten hat. Einzelne Bilder der insgesamt 41.200.000 im Internet gefundenen Einträge stellt der Künstler nun in seinen gezeichneten Regalen zusammen. Doch diese Serie wird wohl nicht vollendet werden - um alle gefundenen Einträge zu archivieren, müsste Zucker über 8 Millionen Zeichnungen schaffen.

Diese Unabschließbarkeit ist wichtiger Teil der Google-Serie, und die Spannung zwischen dem Versuch der Archivierung und der Flut von Informationen zeigt sich auch in der Materialität der großformatigen Bilder. Auf den zweiten Blick lassen sich leichte Verschiebungen erkennen, die sich aus dem vielschichtigen Herstellungsprozess der Arbeiten ergeben: Zunächst überträgt der Künstler ein fast schon veraltet erscheinendes perspektivisches Gitter per Siebdruck auf die Leinwand, dann zeichnet er mit Bleistift, Lineal und Wasserfarben die Regalstruktur in den angedeuteten Raum. In einem dritten Schritt werden die vorher am Computer arrangierten Objekte auf die Leinwand gedruckt. Die Bilder sind also ein „Hybrid zwischen Malerei, Druck und Zeichnung“ und daher ist die Ausrichtung der einzelnen Bildelemente auch nie ganz stimmig, und der anfängliche Eindruck des rational Geordneten verliert sich in den Ungenauigkeiten des Materials.

Der Künstler thematisiert in diesen Arbeiten unterschiedliche Systeme der Ordnung und Archivierung. Ob nun ein einfaches Regal, eine computer generierte Realität oder das Internet – alles wurde erdacht, um zu sammeln, zu präsentieren, zu beherrschen. Doch angesichts des Chaos der Welt bleibt dieser Versuch, sich die Realität anzueignen, erfolglos.

Kevin Zucker setzt sich mit zentralen Fragen der Erkenntnistheorie auseinander: Wie nehmen wir unsere Umwelt wahr, welche Beziehung gibt es zwischen Sinnlichkeit und Rationalität, zwischen Erfahrung und Interpretation? Welche Strategien entwickeln wir, um Sinn zu konstituieren? Zucker geht diesen Fragen auf eine fast schon ethnographisch distanzierte Art nach: „Vielleicht sind die Bilder wie Science Fiction: aus einer fernen Zukunft wird ein Blick auf die Hinterlassenschaften unserer Zeit geworfen, die wegen ihres historischen Wertes zwar geschätzt, aber wohl nicht wirklich verstanden werden.“

Julia Bulk

(Die Zitate sind einem Gespräch mit dem Künstler entnommen)

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