Die Galerie Linn Lühn aus Köln freut sich, für zehn Tage zu Gast in Münster zu sein. Aus diesem Anlass geben sechs Künstler der Galerie einen Einblick in ihr Werk und zeigen neue Arbeiten:
Florian Baudrexel
Florian Baudrexels großformatige Wandreliefs sind geballte Energie. Als dichte Ansammlungen geometrischer Elemente aus Pappe und anderen Abfallmaterialien schieben sie sich dem Betrachter auf Augenhöhe entgegen. Sie fordern den physischen Dialog und verkörpern zugleich eine geistige Dimension: Ihre Vorbilder sind die Ikonen der klassischen Moderne. Baudrexel bedient sich der Bildsprache des frühen 20. Jahrhunderts, indem er die Zusammensetzung einzelner abstrakter Formen sorgfältig abwägt und sie zu einem stimmigen Ganzen kombiniert. Temperament und Ratio verbindet er zu symbiotischen Einheiten, die sich in einem energiegeladenen Schwebezustand zwischen Malerei und Skulptur befinden. Baudrexels Arbeiten sind Vexierbilder im doppelten Sinne: Sie begreifen sich nicht nur als bildhafte Objekte, die zwischen Zwei- und Dreidimensionalität hin- und herkippen, sondern sie besetzen bewusst einen Wahrnehmungsbereich an der Schwelle von Abstraktion und Assoziation. (Gesine Borcherdt im Ausstellungskatalog: Abstract Art Now: Strictly Geometrical?, Wilhem Hack Museum)
Baudrexel zeigt in der Ausstellung ein großformatiges Wandrelief und eine Gruppe von Collagen.
* 1968 in München, studierte an der Kunstakademie Düsseldorf, er lebt und arbeitet in Berlin. Baudrexel stellte u.a. aus in der Margulies Collection, Miami, Kunsthalle Düsseldorf, Museum Abteibergmuseum Mönchengladbach, Wilhelm Hack Museum, Ludwigshafen, George-Kolbe Museum Berlin. Kommende Ausstellungsprojekte: Einzelausstellung Lullin Ferrari, Zürich Oktober 2009, Fiac, Paris, Oktober 2009
William N. Copley
William N. Copley (1919 – 1996) war zunächst Galerist, baute eine umfangreiche Kunstsammlung auf und wurde durch die Freundschaft mit Surrealisten wie Marcel Duchamp, Rene Magritte und Max Ernst selbst zum Künstler. Das malerische und zeichnerische Werk von William Copley setzt sich ironisch und humorvoll mit der Tradition von Dada und Surrealismus, aber auch mit der aufkommenden Pop Art auseinander. Er nahm u.a. an der Dokumenta 5 und 7 teil und ihm wurden zahlreiche Museumsausstellungen gewidmet. Von Kennern und Künstlerkollegen wurde Copley mit seinem unabhängigen und unorthodoxen Geist seit langem hoch geschätzt - in der öffentlichen Rezeption ist er bisher eher ein Geheimtipp geblieben. Die in der Ausstellung gezeigte Tuschezeichnung Wanted von 1955 ist typisch für seinen lebendigen und auch eigensinnigen Stil, der sich oft mit Witz und Erotik verbindet. Er war einer der ersten Künstler, der amerikanische Alltagsmythen - wie hier Motive des Westerns - in sein Werk integrierte.
Alex Jasch
Alex Jasch zeigt in der Ausstellung zwei neue Skulpturen. In den Skulpturen kombiniert Jasch die „an- oder abfallenden Dinge“ des alltäglichen Lebens wie zum Beispiel Verpackungs- und Baumaterialien oder Papierfetzen. Ähnlich Kurt Schwitters, der in seinen Merzbildern Beziehungen schaffen wollte zwischen den verschiedensten Dingen, geht es auch Jasch um den Moment der Gestaltung, in dem „etwas in Beziehung zu etwas anderem“ gesetzt wird und so „ein spezifisches Erscheinungsbild – ein Wesen – bekommt“. Die zusammengestellten Dinge, mit denen ein Mensch während seines Lebens umgeht, die er nutzt oder verbraucht sind also kein bloßer Abfall, sondern werden zu „Zeugnissen seines Handlungsspektrums“. Alex Jaschs Arbeiten thematisieren Übergänge: Dinge des alltäglichen Gebrauchs werden zu Abdrücken des menschlichen Lebens, eine Haltung – eher achtlos eingenommen – wird zum Zeugnis eines „ menschlichen Bewusstseinszustandes“. Es geht Jasch weniger darum ästhetische Objekte zu schaffen, sondern er will Situationen erzeugen, die solche Übergänge möglich machen, „Situationen, in denen die Gestaltung zur zentralen Verrichtung wird.“ (Die Zitate sind einem Gespräch mit dem Künstler entnommen).
* 1971 in Duisburg, Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, wo er seit dem lebt und arbeitet. 2005 publizierte Jasch mit Jens Ullrich und Florian Baudrexel „Sieben Bücher der Weisheit und Schönheit“, ein retrospektives Sammelwerk über die Ausstellungen des von ihm gegründeten Ausstellungsraumes Koelnerstraße 334 und adeline morlon art direction.
Jasch stellte u.a. aus in der Kunsthalle Düsseldorf, Museum Abteibergmuseum Mönchengladbach, Kunstverein Schwerte, Platform Garantie Contemporary Art Center Istanbul und bei Heinrich Ehrhardt, Madrid. Im September eröffnen wir die zweite Einzelausstellung von Alex Jasch in der Galerie, während der Ausstellung erscheint eine umfassende Monographie.
Sebastian Ludwig
In Sebastian Ludwigs Bildern gibt es zumeist ein klar benennbares Motiv, doch je näher man sich mit der Komposition beschäftigt, umso mehr entzieht sich der Inhalt einem eindeutigen Zugriff.
Dem Künstler geht es nicht nur darum, eine Geschichte zu erzählen. Jede Arbeit ist für ihn auch eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Malerei. Ludwig arbeitet wie ein Chronist, aber er schöpft aus vielen Quellen und Jahrhunderten. Er greift seine Figuren und Motive aus den Zeiten heraus, verknüpft und bearbeitet sie und stellt sie dann in unsere Gegenwart. In ihrem neuen Kontext entwickeln sie ein ganz eigenes Leben, in dem Handlungen und Konstellationen auf grundsätzliche Fragen verweisen. In der Ausstellung sind zwei neue Bilder zu sehen.
* 1977 in Groß-Strehlitz, Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, lebt und arbeitet in Lückenburg. Ausstellungen u.a. Museum Goch, Patrick Painte Galleryr, Los Angeles, Sperone Westwater, New York, Kunsthalle Düsseldorf, Neuer Aachener Kunstverein, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland. Im November nimmt Ludwig an der Ausstellung „Slow Paintings“ im Museum Morsbroich, Leverkusen mit neuen Arbeiten teil, hierzu erscheint eine Publikation.
Christoph Schellberg
"Bridget Riley once told me that painting is an act of translation (she takes the idea from Paul Klee): that the artist has a text inside themselves, and that they translate that text through their art, from something personal into something universal.
I have always believed that your portraits are about so much more than portraiture; they say a lot about the process of painting itself, about the way we respond to images; and also about the power of the gaze. Your fascination with eyes gives the paintings their unique and devastating intensity." Michael Bracewell an Christoph Schellberg, November 2008
Schellbergs Werk erscheint als zutiefst romantisch, bestrebt, jene Eigenschaften des menschlichen Ausdrucks - mimischer Ruhe, Intensität, oder Schönheit - wieder zu entdecken, die eher von den Bindungen zwischen Menschen sprechen als von Entfremdung. Seine Kunst beschreibt die Komplexität menschlicher Gegenwart auf vielfältige Weise und befasst sich lieber mit menschlichen Beziehungen - so schwierig diese auch sein mögen - als einen Standpunkt emotionaler und künstlerischer Isolation einzunehmen. (Michael Bracewell im Ausstellungskatalog: Christoph Schellberg, Stellan Holm Gallery, New York, Jablonka Lühn, Köln, 2004). Christoph Schellberg zeigt in der Ausstellung ein neues Portrait und erstmals ein Stillleben.
Christoph Schellberg (*1973) studierte an der HfBK in Hamburg und der Kunstakademie Düsseldorf, er lebt und arbeitet in Köln. Seit 2002 u.a. ausgestellt Phoenix Hallen Sammlung Falckenberg, Hamburg; Neuer Aachener Kunstverein, Collection Susan and Michael Hort, New York; Suermondt Ludwig Museum Aachen, Pinakothek der Moderne München, Ausstellungs-halle für zeitgenössische Kunst, Münster, Stellan Holm Gallery, New York
Clare Stephenson
Die Arbeitsweise der Künstlerin Clare Stephenson ist wichtiger Teil ihres Werkes: Sie nimmt kunsthistorische Zitate aus ihrem ursprünglichen Zusammenhang heraus und arrangiert sie präzise zu lebensgroßen Skulpturen oder Collagen. In der hier gezeigten Serie von drei Collagen setzen sich Elemente mittelalterlicher und barocker Skulpturen zu weltlichen „Dragqueens“ zusammen. Jede der Figuren spielt eine bestimmte und Rolle und nimmt eine ihrem Namen entsprechende Pose ein: Die verschwenderisch gekleidete Madame Toute-Reservee scheint auf die ihre zustehenden Rechte zu pochen, The Unicorn gefällt sich in elegant ausbalancierter Haltung und Miss Productively Focused hält nach wirtschaftlich lohnenden Geschäften Ausschau. Als neue Einheiten entwickeln die Fragmente eine ganz eigene schillernde Bildsprache. Stephensons Spiel mit den Zeiten, Medien und Dimensionen kann man als ironischen Kommentar zur visuellen Praxis der Gegenwart lesen.
*1972 geboren in Newcastle Upon Tyne, Großbritannien, Studium an der Ecole Regionale des Beaux-Arts, Nantes und
Duncan of Jordanstone College of Art & Design, Dundee, lebt und arbeitet in Glasgow, Schottland. Ausstellungen im In- und
Ausland, u.a.: The Drawing Room, London, Studio Guenzani, Mailand, Whitechapel Project Space, London, Broadway 1602,
New York, Sorcha Dallas, Glasgow. Kommende Ausstellungsprojekte: Compass in Hand: Selections from the Judith
Rothschild Foundation Contemporary Drawings Collection, MOMA, New York, Schürmann Berlin
Text: Julia Bulk (soweit nicht anders vermerkt)