LINN LÜHN

CHRISTOPH SCHELLBERG

October 8 – November 18, 2011

In der aktuellen Ausstellung bei Linn Lühn widmet sich Christoph Schellberg wieder ganz der Malerei.
Als wolle er die Bandbreite des Mediums ausloten, präsentiert er klassische Genres wie Landschaft, Stillleben und Portrait ebenso wie abstrakte Arbeiten.

Bei den Landschaftsbildern greift der Künstler auf historische Vorbilder zurück. Ausgangspunkt der Arbeit Landschaft mit Pilz, 2011 beispielsweise ist eine Radierung von Rembrandt. Wie der ältere Künstler, so setzt sich auch Schellberg mit den Erscheinungsformen von Wolken und der Wirkung des Lichts auseinander. Doch was bei Rembrandt ein topographisch bestimmbarer Raumausschnitt war, wird bei Schellberg zu einer imaginären Landschaft. Die in lasierenden Schichten aufgetragene Acrylfarbe bildet samtige Farbflächen, aus denen sich die Motive erst langsam herausschälen. Diese Unschärfe räumt dem Gemalten ein eigenes Recht gegenüber der abgebildeten Realität ein. Wie bei der Erinnerung an ein länger zurückliegendes Ereignis verselbstständigt sich das Dargestellte und ist frei sich zu verändern und mit anderen Elementen zu mischen. Schellberg greift also ein bekanntes Motiv auf, um es zu wiederholen, es in der eigenen Malweise zu durchdenken und es sich so immer wieder neu anzueignen.

Für die Stillleben stellte der Künstler keine aufwändigen Arrangements zusammen, sondern wählt einfache Dinge des Alltages. Dabei legt Schellberg weniger Wert auf die praktisch-räumliche Zuordnung der Gegenstände, sondern konzentriert sich vor allem auf die Wirkung von Oberflächen und Reflektionen. Auf diese Weise entziehen sich die Gegenstände dem nüchternen Blick - als würden sie ein geheimes Eigenleben führen, sobald man ihnen den Rücken zukehrt. Auch das Portrait verschließt sich einer vorschnellen Einordnung. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten des Künstlers wirkt die dargestellte Person in sich gekehrt und verwehrt uns mit den geschlossenen Augen jegliche Kontaktaufnahme. Doch auf den zweiten Blick verliert das Porträt seinen distanzierten Charakter. Immer mehr haben wir den Eindruck, Zeuge eines intimen Moments zu sein und begreifen den dunklen Hintergrund als Schutz für das verletzliche Gesicht.

Christoph Schellbergs Interesse gilt weniger einem bestimmten Motiv, sondern vielmehr der Malerei an sich.
Das wird besonders bei den abstrakten Bildern in der Ausstellung deutlich. Schellberg bricht hier erstmals mit den Prinzipien einer mimetischen Kunst und geht dabei ähnlich vor, wie Avantgarde-Künstler, die „von der Idee besessen [waren] Anti-Bilder zu schaffen“ und sich die „Reduktion von Form und Inhalt“ (Julije Knifer) auf die Fahnen schrieben. Trotz eines ähnlichen Ausgangspunktes kommt Schellberg allerdings zu einem entgegen gesetzten Ergebnis: Statt den geschlossenen Werkbegriff anzugreifen, spielt er mit den Möglichkeiten der Malerei: die weichen Farbverläufe und eine angedeutete Horizontlinie schaffen einen undefinierbaren Bildraum, der jedoch durch die länglichen weißen Elemente gebrochen wird. Sie scheinen vor dem Bildraum zu schweben und werfen eine Art Schatten, der den suggerierten Raum in die Fläche überführt. Schellberg stellt die Malerei nicht in Frage, sondern bezeugt virtuos ihre Möglichkeiten: Sie kann die Vorstellung von Tiefenräumlichkeit hervorrufen und gleichzeitig auf den ihr eigenen zwei Dimensionen beharren.

Die Arbeiten von Christoph Schellberg umgibt eine ruhige, träumerische Atmosphäre. Manchmal scheint es, als wolle er kostbare Erinnerung und Träume bewahren. Doch zeugen die Arbeiten auch von einer kämpferischen Haltung des Künstlers: In einer Zeit, in der alternative Ästhetiken wie das „Authentische“ oder das „Interessante“ vorherrschen, in der immer wieder das Neue gefordert wird und sich jede Aussage hinter Ironie oder Skepsis verschanzt, setzt Schellberg auf die fast vergessene Kategorie der Schönheit.

Julia Bulk

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